ursprünglich Veröffentlich am 21.01.2013 bei Regensburg Digital
„Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien“: Eigentlich ein spannendes Vortragsthema. Leider blieben einige Punkte dabei außen vor.
David Klemperer spricht über Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien, Foto: Lukas Böhnlein |
Das Image der Ärzte – ja des ganzen Gesundheitssystems – ist nicht besonders gut. Der Organspendenskandal im letzten Jahr dürfte das Vertrauen auch nicht unbedingt verbessert haben. Einer der Ärzte, der in den Skandal verwickelt ist, arbeitete jahrelang am Regensburger Uniklinikum. Auch der Einfluss der Pharmalobby auf Mediziner trägt zum Misstrauen gegenüber Ärzten und Medizinern bei. Die Lokalgruppe der IPPNW in Regensburg (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) lud im Januar 2013 ins Uniklinikum Regensburg zu einem Vortrag mit dem Thema „Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien – Wie erfolgreich sie sind und wie man sich vor ihnen schützen kann“. Der Referent Prof. Dr. David Klemperer ist Professor für medizinische Grundlagen der Sozialen Arbeit, Sozialmedizin und Public Health an der Hochschule Regensburg.
Keine „Pharmamafia“
Warum beeinflussen Pharmaunternehmen die Ärzte? Die Antwort ist einfach: Unternehmen der Pharmaindustrie verfolgen wie jede andere Industrie wirtschaftliche Ziele und wollen ihren Umsatz steigern. Die weltweiten Umsätze der Pharmabranche haben sich von 503 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf 956 Milliarden im Jahr 2011 fast verdoppelt. Um solche Umsätze möglich zu machen ist es notwendig, dass die Ärzte teure Medikamente statt gleichwertiger günstiger Alternativen verschreiben. Wie bringt man sie dazu? Klemperer spricht nicht von einer „Pharmamafia“ und vermutet auch keine Verschwörung dahinter. Der Referent spricht von „falschem Wissen“, durch das die Mediziner beeinflusst werden. Etwa durch selektive Veröffentlichung von Studien. Laut einem Artikel des New England Journal of Medicine wurden Studien mit negativem Ergebnis für ein Antidepressiva deutlich seltener veröffentlicht als solche mit positivem Ergebnis. Eine weitere Methode ist es, die ursprünglichen Ziele einer Studie nachträglich zu verändern: Bei einem negativen Ergebnis werden einzelne positive Punkte herausgepickt, nach denen ursprünglich gar nicht gefragt war. Dadurch können Medikamente oder Therapiemethoden, die weniger Wirkung zeigen als Konkurrenzprodukte oder starke Nebenwirkungen haben, trotzdem in bestimmten Punkten besser abschneiden.Jeder ist beeinflussbar
Wie mehrere Menschen bei gleichen Fakten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können demonstriert Klemperer eindrucksvoll mit einem Bild des Psychologen Joseph Jastrow, dass je nach Betrachtungsweise entweder eine Ente oder einen Hasen darstellt. Wer denke, er sei nicht beeinflussbar liege falsch und sei sogar noch anfälliger gegenüber Manipulationsversuchen, sagt Klemperer. „Das hat nichts mit Intelligenz zu tun.“ Allein das freundliche Auftreten eines Vertreters oder materiell wertlose Geschenke können eine erstaunliche Wirkung haben. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zufolge hatte allein das Logo von Lipitor® auf einem Schreibblock einen Einfluss auf die Bewertung des Medikaments durch Ärzte. Aber es gibt nicht nur wertlose Schreibblocks: Die Pharmaunternehmen laden Ärzte auch gerne mal zu luxuriösen „Fortbildungsmaßnahmen“ – selbstverständlich allein zum Zweck der Weiterbildung.Foto: Lukas Böhnlein |
Ärzte und Wissenschaftler bewegen sich im Konfliktfeld zwischen primären Interesse – den Patienten bestmöglich zu heilen bzw. eine valide und nützliche Forschung zu betreiben – und dem sekundären Interesse, Karriere zu machen, Anerkennung, Honorare oder Geschenke zu bekommen. Klemperer versuchte mögliche Gegenmaßnahmen gegen den großen Einfluss der Pharmaindustrie aufzuzeigen. Der erste Schritt sollte die Offenlegung der eigenen Interessenkonflikte sein, was der Referent auch beispielhaft am Anfang seines Vortrages mit einer Powerpoint Folie machte, auf der seine verschiedenen Tätigkeiten aufgelistet waren, von denen er finanziell profitiert. So werde die Illusion abgelegt, man sei nicht beeinflussbar. Viele Interessenkonflikte könnten vermieden werden, wenn man auf gesponserte Fortbildungen und Kongresse und auf Geschenke verzichte. Sich als Mediziner mit Häppchen von Unternehmen füttern zu lassen, betrachtet Klemperer als peinlich. Studien sollten nach Möglichkeit öffentlich finanziert werden, um so neutral wie möglich zu sein. Klemperer schlägt Ärzten vor, sich aus unabhängigen Quellen über neue Medikamente zu informieren, nicht beim Marketing der Industrie „mitzuspielen“ und die Werbesprache zu reflektieren. Die Industrie solle man auch entsprechend kritisieren, „wenn sie es verdient hat“.
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