Mittwoch, 11. Januar 2017

Vortrag: Strategien der Pharmaindustrie - Werbung und Manipulation

Von Lukas Böhnlein
ursprünglich Veröffentlich am 21.01.2013 bei Regensburg Digital


„Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien“: Eigentlich ein spannendes Vortragsthema. Leider blieben einige Punkte dabei außen vor.

David Klemperer spricht über Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien, Foto: Lukas Böhnlein


Das Image der Ärzte – ja des ganzen Gesundheitssystems – ist nicht besonders gut. Der Organspendenskandal im letzten Jahr dürfte das Vertrauen auch nicht unbedingt verbessert haben. Einer der Ärzte, der in den Skandal verwickelt ist, arbeitete jahrelang am Regensburger Uniklinikum. Auch der Einfluss der Pharmalobby auf Mediziner trägt zum Misstrauen gegenüber Ärzten und Medizinern bei. Die Lokalgruppe der IPPNW in Regensburg (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) lud im Januar 2013 ins Uniklinikum Regensburg zu einem Vortrag mit dem Thema „Pharmaunternehmen und ihre Werbestrategien – Wie erfolgreich sie sind und wie man sich vor ihnen schützen kann“. Der Referent Prof. Dr. David Klemperer ist Professor für medizinische Grundlagen der Sozialen Arbeit, Sozialmedizin und Public Health an der Hochschule Regensburg.

Keine „Pharmamafia“

Warum beeinflussen Pharmaunternehmen die Ärzte? Die Antwort ist einfach: Unternehmen der Pharmaindustrie verfolgen wie jede andere Industrie wirtschaftliche Ziele und wollen ihren Umsatz steigern. Die weltweiten Umsätze der Pharmabranche haben sich von 503 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf 956 Milliarden im Jahr 2011 fast verdoppelt. Um solche Umsätze möglich zu machen ist es notwendig, dass die Ärzte teure Medikamente statt gleichwertiger günstiger Alternativen verschreiben. Wie bringt man sie dazu? Klemperer spricht nicht von einer „Pharmamafia“ und vermutet auch keine Verschwörung dahinter. Der Referent spricht von „falschem Wissen“, durch das die Mediziner beeinflusst werden. Etwa durch selektive Veröffentlichung von Studien. Laut einem Artikel des New England Journal of Medicine wurden Studien mit negativem Ergebnis für ein Antidepressiva deutlich seltener veröffentlicht als solche mit positivem Ergebnis. Eine weitere Methode ist es, die ursprünglichen Ziele einer Studie nachträglich zu verändern: Bei einem negativen Ergebnis werden einzelne positive Punkte herausgepickt, nach denen ursprünglich gar nicht gefragt war. Dadurch können Medikamente oder Therapiemethoden, die weniger Wirkung zeigen als Konkurrenzprodukte oder starke Nebenwirkungen haben, trotzdem in bestimmten Punkten besser abschneiden.

Jeder ist beeinflussbar

Wie mehrere Menschen bei gleichen Fakten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können demonstriert Klemperer eindrucksvoll mit einem Bild des Psychologen Joseph Jastrow, dass je nach Betrachtungsweise entweder eine Ente oder einen Hasen darstellt. Wer denke, er sei nicht beeinflussbar liege falsch und sei sogar noch anfälliger gegenüber Manipulationsversuchen, sagt Klemperer. „Das hat nichts mit Intelligenz zu tun.“ Allein das freundliche Auftreten eines Vertreters oder materiell wertlose Geschenke können eine erstaunliche Wirkung haben. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zufolge hatte allein das Logo von Lipitor® auf einem Schreibblock einen Einfluss auf die Bewertung des Medikaments durch Ärzte. Aber es gibt nicht nur wertlose Schreibblocks: Die Pharmaunternehmen laden Ärzte auch gerne mal zu luxuriösen „Fortbildungsmaßnahmen“ – selbstverständlich allein zum Zweck der Weiterbildung.


Foto: Lukas Böhnlein


Ärzte und Wissenschaftler bewegen sich im Konfliktfeld zwischen primären Interesse – den Patienten bestmöglich zu heilen bzw. eine valide und nützliche Forschung zu betreiben – und dem sekundären Interesse, Karriere zu machen, Anerkennung, Honorare oder Geschenke zu bekommen. Klemperer versuchte mögliche Gegenmaßnahmen gegen den großen Einfluss der Pharmaindustrie aufzuzeigen. Der erste Schritt sollte die Offenlegung der eigenen Interessenkonflikte sein, was der Referent auch beispielhaft am Anfang seines Vortrages mit einer Powerpoint Folie machte, auf der seine verschiedenen Tätigkeiten aufgelistet waren, von denen er finanziell profitiert. So werde die Illusion abgelegt, man sei nicht beeinflussbar. Viele Interessenkonflikte könnten vermieden werden, wenn man auf gesponserte Fortbildungen und Kongresse und auf Geschenke verzichte. Sich als Mediziner mit Häppchen von Unternehmen füttern zu lassen, betrachtet Klemperer als peinlich. Studien sollten nach Möglichkeit öffentlich finanziert werden, um so neutral wie möglich zu sein. Klemperer schlägt Ärzten vor, sich aus unabhängigen Quellen über neue Medikamente zu informieren, nicht beim Marketing der Industrie „mitzuspielen“ und die Werbesprache zu reflektieren. Die Industrie solle man auch entsprechend kritisieren, „wenn sie es verdient hat“.

Bestechung von Ärzten ist in Deutschland nicht verboten

Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die rechtliche Situation in Deutschland: In § 32 der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte heißt es: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile (…) anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird (…).“ Ein Arzt darf sich also bestechen lassen, solange nicht der Anschein erweckt wird, dass er bestochen wurde. Eine eindeutige Regelung sieht anders aus. Erst am Donnerstag forderte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr schärfere Gesetze gegen Korruption bei Ärzten. Bislang gibt es aber viele legale Möglichkeiten für Pharmalobbyisten, Einfluss auf Mediziner zu nehmen.

Viele Themen blieben außen vor

Leider war der Vortrag trotz anderslautender Ankündigung wohl eher an Medizinier als an interessierte Laien gerichtet. Auch blieben Bereiche, die durchaus einer näheren Betrachtung bedurft hätten, außen vor. Etwa wie die Pharmalobby Einfluss auf die Politik, Gesetzesvorhaben und -änderungen nimmt. Oder wie Patienten umworben und beeinflusst werden. Zum Beispiel wie DHU, Heel oder Weleda, namhafte Hersteller von Homöopathie, den Journalisten Claus Fritzsche finanzierten, um Gegner der Homöopathie zu diskreditieren. Ein Problem sahen die Unternehmen der sogenannten „sanften Medizin“ und auch Fritzsche darin übrigens nicht. Dabei wäre das Thema des Vortrages sicher auch für Laien – Patienten – interessant – nicht nur, weil alle gut behandelt werden möchten, wenn sie krank sind, sondern weil sich jeder darüber bewusst werden sollte, wie leicht man beeinflussbar sein kann und mit welchen Mitteln dies geschieht. Auch ist es kein „Privileg“ der Pharmaindustrie, mit allen Mitteln zu versuchen, höhere Umsätze zu machen. Aber das ist ein anderes Thema.

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